Der höchste Kreuzweg der Alpen III – Eissee und Eisseehütte: Sajathütte 2.600 über N.N. gegen 06:00 Uhr: Der Wind drückt auf die Hüttentür. Das Thermometer zeigt vier Grad unter Null. Schneegriesel sandstrahlt das Gesicht. Erstaunlicherweise ist der Himmel fast wolkenlos. Über die Bergkämme im Norden drücken Wolkenberge, nur um sich kurz danach ins Nichts aufzulösen. Die Wolkenfetzen rasen regelrecht über den Grat und reißen dabei Schnee mit sich. Genau da, zum Schernerkopf und zur Kreuz- und Tulpspitze wollen wir heute hin. Schnell zurück in die warme Hütte.
Einige Bergsteigermagazine und ein reichhaltiges Frühstück später brechen wir auf. Sturm, Wolken und Schnee fordern ihren Tribut. Der ursprünglich geplante Weg ist heute nicht begehbar. Wir wählen daher die Alternativroute und folgen dem Sajat-Höhenweg in Richtung Eisseehütte.
Mit einem traumhaften Blick auf den Bergersee, Prägrater Törl und die Lasörlinggruppe geht es auf schmalen, leicht gepuderten Wegen zunächst leicht bergab. Der Wind lässt die gefühlte Temperatur noch weiter fallen.
Beeindruckende Tiefblicke am „Balkon Gottes“ – Felsplateau am „Fenster“
Über grasige Hänge geht es über den „Balkon Gottes“ mit beeindruckenden Tiefblicken auf unseren Ausgangspunkt Bichl, weiter in Richtung „Fenster“ (2308 m). Wie bestellt klart dort das Wetter auf. Wir erreichen die 5. Kreuzwegstation auf dem Felsplateau bei strahlendem Sonnenschein. Positiver Effekt: Es wird wärmer – auch im Herbst hat die Sonne noch erstaunlich viel Kraft.
Nach kurzem Aufenthalt folgen wir dem Weg in Richtung Norden. Mit dem Beginn des Timmertals ändert sich die Landschaft. Die grasigen Hänge machen einer vielfältigeren Vegetation Platz. Schroffe Hänge auf beiden Seiten des Tals prägen das Landschaftsbild. Wir folgen dem Höhenweg an der westlichen Talflanke. Begleitet von niedrigen Granten- bzw. Preiselbeersträuchern und rot blättrigen Heidegewächsen geht es in Richtung leicht bergauf in Richtung Zopatklamm. Über die Gipfel am Talende drücken aus nördlicher Richtung Wolken ins Tal.
Schnee in der Zopatklamm
Es wird wieder kälter. Im Geröllfeld der Zopatklamm ist der gesamte Weg schneebedeckt. Der Schnee ist trocken und griffig. So erreichen die nächste Station des Kreuzweges nur wenige Meter weiter ohne Probleme. Sie liegt einige Meter hangab vom Weg. Wer nicht weiß wo er suchen muss, könnte leicht vorbei laufen.
Eissee und Eisseehütte die Tagesziele – aber erst der Eisbach
Wir setzen unseren Weg in Richtung Eisseehütte (2521 Meter) fort. Auf der linken Wegseite steigen ebene Grasflächen steil in Richtung Tulpsitz an. Große Gamsherden grasen an den Hängen bevor der Weg zum Talende immer steiniger wird. Schon kommt die Eisseehütte in Sicht. Wir überqueren den Eisbach und erreichen auf halbem Weg zur Hütte die siebte Station. Von hier sind es nur noch wenige Meter bis zur Eisseehütte. Hier werden wir die Nacht verbringen, allerdings erst nachdem wir das heutige Tagesziel, die achte Kreuzwegstation am Eissee auf 2661 Metern erreicht haben.
In der Welt des Edelweiß
Nach kurzer Rast brechen wir daher auch sofort wieder in Richtung Eissee auf. Das Gepäck bleibt bis auf das nötigste in der Hütte. So gewinnen wir schneller an Höhe. Zunächst über grasige Matten der ehemaligen Kleinitzalm, später über die felsigen Hinterlassenschaften des Garaneberkees führt der Weg bergan. Das Wetter wird unterdessen schlechter ein zunehmend stärkerer Wind treibt feinen Schneegriesel und Nebel über die Weißspitze und Seekopf herüber. Schlechte Aussichten für den morgigen Tag. Unter diesen Bedingungen wären weder Seewandspitze noch Weißspitze sinnvoll zu erreichen. Aber zurück ins Heute: Schon bald stehen wir auf einem mit Moosen, Flechten und Edelweiß bewachsenen Kamm rund hundert Meter über dem Eissee, der wie ein riesiges hellblaues Auge unter uns liegt. Da müssen wir runter.
Das ist leichter gesagt als getan. Der Abstieg ist steil, Geröll und Fels mit einer dünnen Schneeschicht überzogen und rutschig. Genau hinschauen und aufpassen ist das Gebot der Stunde. Als wir den See erreichen reißt der Himmel auf: strahlender Sonnenschein lässt das heutige Etappenziel, wenn auch nur für ein paar Minuten in schönster Nachmittags-Sonne erstrahlen. Durch die vielen Steinmännchen ist der Fels am Ufer und mit Ihm die VIII. Station des Kreuzwegs leicht zu finden…
Zurück geht es durch das Tal des ehemaligen Gletschers vorbei an den gerölligen Überresten des ehemaligen Gletschermundes. Glatt geschliffene Wände und feiner Abrieb im Bachbett zeigen, das hier vor geologisch gesehen kurzer Zeit noch Eis gewesen sein muss. Langsam schwindet die Sonne und es wird merklich kühler. Mehrfach queren wir über improvisierte Brücken und Felsen den Eisbach. Die Brücke unmittelbar vor der Biegung zum Hüttenweg wurde weggeschwemmt. Es heißt einen kleinen Umweg zu gehen. Nach einer leichten Biegung nach links erreichen wir schließlich glücklich und nicht ohne Appetit die die warme Hütte.
[Text/Bilder: reviersteiger]
Fortsetzung folgt…
alpin: der höchste kreuzweg der alpen II – von bichl zur neuen sajathütte